Rede vom Mittwoch, 28. August 2013
zum Antrag der CDU-Fraktion:

Thema: Deutschunterricht in der Grundschule: Lehrmethoden evaluieren

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau von Treuenfels!

Aufgabe des Deutschunterrichts in der Grundschule ist es, den Schülerinnen und Schülern eine grundlegende sprachliche Bildung zu vermitteln, damit sie in gegenwärtigen und zukünftigen Lebenssituationen handlungsfähig sind.“
So formuliert es der Bildungsplan Deutsch für die Hamburger Grundschulen, und ich bin mir sicher, dass unsere Grundschulen auch so arbeiten. Das Beherrschen der Rechtschreibung ist, Sie haben darauf hingewiesen, ein wichtiger Bestandteil, um überhaupt an dieser Gesellschaft teilhaben zu können.

Dabei geht es nicht nur darum, dass ein Rechtschreibfehler ein Ausschlusskriterium ist, wenn man eine Bewerbung schreibt, sondern dass nur das, was man richtig geschrieben hat, auch ernst genommen wird. Wer nicht richtig schreiben kann, wird nicht richtig wahrgenommen.

Die Grundlagen für eine solide Rechtschreibung müssen in den ersten Schuljahren gelegt werden; darauf haben Sie vollkommen richtig hingewiesen. Dazu gehört, dass die Kinder ein Rechtschreibgespür bekommen, dazu gehört auch ein Rechtschreibgrundwortschatz, und auch ein Grundwissen über die richtigen Schreibungen sollte bekannt sein. Das Erlernen der richtigen Rechtschreibung ist aber nicht in der Grundschule zu Ende; Sie haben auf die Untersuchung der Zehntklässler hingewiesen. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass wir auch in der Mittelstufe noch viel an der richtigen Rechtschreibung der Schülerinnen und Schüler arbeiten, und dies teilweise unabhängig davon, welchen Erstleselehrgang die Kinder hatten.

Zu einer guten sprachlichen Ausbildung gehört eine solide Rechtschreibung. Dafür setzen wir uns ein. Die Anträge der FDP und der CDU gehen zurück auf eine Titelstory des „SPIEGEL“ in der Sommerpause. Mit großem Aufwand wurde von der Rechtschreibkatastrophe gesprochen und zumindest im Leitartikel der Eindruck vermittelt, das läge alles nur an der Reichen-Methode. Als Reaktion kamen dann die Anträge von CDU und FDP. Nun entsteht bei Ihnen leider der Eindruck, dass, wenn man dem Antrag zustimmen und die Reichen-Methode verbieten würde, das gesamte Problem der schlechten Rechtschreibung gelöst sei. Ich glaube, das ist gar nicht Ihr Ansinnen, aber es kommt ein bisschen so rüber. Ich finde es auch schwierig, Verbote aufzustellen, um irgendetwas besser zu machen.

Wir haben es bei einem anderen Beispiel erlebt. Und zwar war, als die Primarschule eingeführt wurde, es eine Zeitlang verboten, Diktate zu schreiben . (Dr. Stefanie von Berg GRÜNE: Das stimmt nicht! – Dr. Walter Scheuerl CDU: Schlimm genug! – Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das ist schlimm genug!)

Auf jeden Fall waren Diktate nicht mehr vorgesehen, so habe ich es in der Antwort auf die Anfrage gelesen, auch wenn ich nicht glaube, dass sich alle daran gehalten haben.

Ich möchte dieses Beispiel zur Verdeutlichung nutzen. Ich glaube nicht, dass wir gut auftreten, wenn wir Dinge verbieten. Wir geben den Hamburger Schulen eine gewisse Freiheit in der Gestaltung ihres Unterrichts, das ist so festgelegt im Schulgesetz. Die Bildungspläne bilden das Fundament, aber über die einzelne Umsetzung entscheidet die Lehrerkonferenz.

(Robert Bläsing FDP: Das ist doch Esoterik!)

Wir verlassen uns also auf ein hohes Maß an Kompetenz an den Schulen. Das ist auch richtig so, denn wir sprechen häufig davon, wie unterschiedlich die Schülerinnen und Schüler in unserer Stadt sind, wie unterschiedlich die Schulen, aber auch die Lehrerinnen und Lehrer sind. Die einzelnen Schulen sind darauf angewiesen, die Startvoraussetzungen ihrer Erstklässler vor Ort zu kennen und sich für die für sie beste und geeignetste Leseund Schreiblernmethode zu entscheiden. Das ist auch in Verbindung mit der von Gesellschaft und Politik gewollten Individualisierung keine leichte Entscheidung für die Schulen, das ist unstrittig. Viele gute Entwicklungen in der Hamburger Schullandschaft wären aber durch eine behördliche Festlegung einer spezifischen Methode nie möglich gewesen. Viele Schulpreise wären nie nach Hamburg gekommen, wenn wir nicht methodische Freiheiten erlaubt hätten.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg, Christa Goetsch, beide GRÜNE, und Dora Heyenn DIE LINKE)

Wir wollen keinen Erstleseunterricht, der vollkommen auf einen Lehrgangsunterricht verzichtet. Wir gehen auch nicht davon aus, dass ein Erstleseunterricht, der ausschließlich mit der Anlauttabelle arbeitet, sinnvoll ist. Dies entspräche aber auch nicht den Vorgaben des Bildungsplans.

Lassen Sie uns gemeinsam und unaufgeregt beraten, wie guter Erstleseunterricht aussehen sollte. Dabei muss es auch darum gehen, welche Teile der Reichen-Methode ein Hilfsmittel sein können. Die Anlauttabelle findet man zum Beispiel auch in vielen Lehrgängen, die klassisch nach dem analytischsynthetischen Verfahren arbeiten. Hier haben uns die Verlage vorgemacht, wie sich die unterschiedlichen Ansätze ergänzen können, um so möglichst vielen Kindern mit unterschiedlichsten Voraussetzungen die besten Lernchancen zu ermöglichen. Wir sollten aber auch darüber beraten, ob die Orientierung und die Vorgaben im Bildungsplan Deutsch deutlich genug sind. Müssen wir an einigen Stellen genauere Zielsetzungen formulieren, dann können wir das tun. Wir können uns aber nicht vorstellen – ich jedenfalls kann es nicht –, dass nach Abschluss der Diskussion an allen Schulen gleichförmig unterrichtet wird. Eine zu starre Festlegung ermöglicht nur noch in Grenzen die erforderliche Differenzierung und Individualisierung von Unterricht, sie entspricht nicht der Heterogenität unserer Schulen und ihrer Schülerinnen und Schüler. Wir stehen einer sachlichen Debatte nicht im Weg. Lassen Sie uns gemeinsam beraten, gerne auch mit Experten. – Vielen Dank.